Gehirnentwicklung in der Pubertät - was passiert da?

Gehirnentwicklung in der Pubertät – die Großbaustelle 

„Nichts in der Geschichte des Lebens ist beständiger als der Wandel. – Charles Darwin

Kaum eine Lebensphase verkörpert diesen Wandel so deutlich wie die Pubertät. Körper, Gefühle und Denken verändern sich rasant – und mittendrin: das Gehirn. Oft erleben Jugendliche und ihre Familien diese Zeit der Gehirnentwicklung in der Pubertät als eine echte „Großbaustelle“, auf der scheinbar nichts bleibt, wie es war.

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Dabei handelt es sich keineswegs um ein Chaos ohne Plan – im Gegenteil: Das Teenagerhirn wird in dieser Zeit grundlegend umgebaut und neu organisiert. Warum diese Entwicklung so wichtig ist und welche multiplen Prozesse sich dabei im Inneren abspielen, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Der Kopf im Umbau: Welche Gehirnentwicklung geschied während der Pubertät?

Während der Pubertät findet eine immense  Gehirnentwicklung statt  – es wird alles umgebaut, wie ein Haus, das für die Zukunft vorbereitet wird. Neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen entstehen, während alte, nicht mehr benötigte Verbindungen abgebaut werden. Fachleute nennen diesen Prozess „Pruning“, was auf Deutsch so viel wie „Zurückschneiden“ bedeutet. Hierbei werden gezielt Nervenzellen und Verbindungen entfernt, die wenig genutzt werden oder die Entwicklung behindern könnten.

Dieser „Umbau“ geht mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit vonstatten: In der Pubertät sterben zeitweise bis zu 30.000 Nervenzellen pro Sekunde ab – eine enorme Zahl. Der Grund dafür ist, dass das Gehirn sich von weniger wichtigen oder ineffizienten Verbindungen trennt, um Platz für die wichtigen und häufiger genutzten Verbindungen zu schaffen. Dieser Prozess hilft dem Gehirn, leistungsfähig zu bleiben und sich besser an die neuen Herausforderungen und Anforderungen des Erwachsenwerdens anzupassen.

Das Ziel dieses Umbauprozesses ist es, das noch kindliche Gehirn für die Zukunft vorzubereiten. Während die graue Substanz, die für die Informationsverarbeitung zuständig ist, bis etwa zum 14. Lebensjahr weiter wächst, nimmt gleichzeitig auch die weiße Substanz zu. Sie sorgt dafür, dass die verschiedenen Hirnareale effizient miteinander kommunizieren können.

Besonders im Frontal- und Parietalkortex, den Bereichen, die für komplexe Denkprozesse, Entscheidungsfindung und soziale Interaktionen verantwortlich sind, kommt es zu einem starken Wachstum. Genau hier, in diesen Bereichen, passiert in der Pubertät laut Forschung besonders viel – und das hat einen großen Einfluss auf das Verhalten und die sozialen Fähigkeiten von Jugendlichen.

Nebenwirkungen der Gehirnentwicklung in der Pubertät gibt es?

Aber der oben beschriebene Vorgang ist immer nicht nicht alles: Die Zahl der Nervenzellen, die für die schnelle Weiterleitung von Informationen verantwortlich sind, wächst ebenfalls. Dadurch steigert sich die „Rechenleistung“ des Gehirns enorm – es kann bis zu 3.000-mal schneller Informationen verarbeiten als zuvor. Dies erklärt, warum Jugendliche in dieser Phase oft so viel Energie und eine enorme Auffassungsgabe haben, aber gleichzeitig auch Schwierigkeiten mit der Impulssteuerung und der Bewertung langfristiger Konsequenzen.

Allerdings hat dieser tiefgreifende Umbauprozess auch seine Schattenseiten. Da das Gehirn mitten in einer Umbauphase steckt, ist es nicht ungewöhnlich, dass Jugendliche gelegentlich vergesslich oder zerstreut wirken. Aufgaben in der Schule oder im Haushalt geraten leicht in Vergessenheit, und die Konzentration schwankt. Diese vorübergehende Unordnung im Gehirn ist jedoch ein ganz normaler Teil der Entwicklung und zeigt, dass das Gehirn noch an seiner „Feinabstimmung“ arbeitet.

Zudem entwickeln sich bestimmte Hirnareale im Jugendalter langsamer als andere. Die Entwicklung des Frontalhirns, das für Planung, Selbstkontrolle und langfristiges Denken zuständig ist, ist bei vielen Jugendlichen noch nicht vollständig abgeschlossen – oft bis in die frühen 20er Jahre. Deswegen können Jugendliche in der Pubertät noch impulsiver sein und Entscheidungen treffen, die sie später bereuen, während sie gleichzeitig an Fähigkeiten arbeiten, die später im Erwachsenenalter von zentraler Bedeutung sind.

Emotionale Achterbahnfahrt: Das Chaos verstehen

In der Pubertät geht es im Gehirn besonders turbulent zu – und das spüren Jugendliche auch in ihren Gefühlen. Besonders betroffen ist die „Kommandozentrale“ des Gehirns, der sogenannte präfrontale Kortex. Er sitzt direkt hinter der Stirn, etwa über den Augenbrauen, und ist bei Erwachsenen für wichtige Fähigkeiten wie Selbstkontrolle, vorausschauendes Planen und das Abschätzen von Konsequenzen zuständig.

Bei Jugendlichen arbeitet diese Kommandozentrale noch nicht auf voller Kraft. Sie ist während der Pubertät nachweislich weniger aktiv als im Erwachsenenalter. Stattdessen sind die Bereiche im Gehirn, die für Emotionen zuständig sind – zum Beispiel das limbische System –, besonders lebendig. Jugendliche fühlen dadurch intensiver und lassen sich schneller von ihren Gefühlen leiten. Dabei erleben sie oft mehr Neugier als Angst.

Das führt dazu, dass Jugendliche impulsiver, risikofreudiger und weniger planvoll mit vernunft handeln als Erwachsene. Auf den ersten Blick mag das chaotisch wirken, doch aus Sicht der Entwicklung ist es sehr sinnvoll: Durch diese neue Risikobereitschaft lernen Jugendliche, eigene Wege zu gehen, sich von der Herkunftsfamilie abzugrenzen und mutig neue Lebensräume zu erobern. Sie lernen Moral und Ihr Humor wird entwickelt. All diese Veränderungen helfen ihnen, eines Tages ein selbstständiges Leben zu führen und eine eigene Familie zu gründen.

Die manchmal heftigen Stimmungsschwankungen, das plötzliche Aufbegehren oder das scheinbar unüberlegte Handeln sind also kein Zeichen von Schwäche – sondern Ausdruck eines tiefgreifenden und wichtigen Reifeprozesses bei der Gehirnentwicklung in der Pubertät.

Hormone und ihre Auswirkungen auf das Verhalten

In der Pubertät fahren auch die Hormone ganz schön auf. Besonders ein Hormon spielt hier eine Schlüsselrolle: Dopamin, auch als „Glückshormon“ bekannt. Dopamin sorgt dafür, dass wir uns nach positiven Erlebnissen gut fühlen. Bei Jugendlichen in der Pubertät ist das Belohnungssystem im Gehirn besonders empfindlich, was bedeutet, dass sie auf positive Rückmeldungen oder Erfolgserlebnisse intensiver reagieren als Erwachsene.

Eine Studie aus dem Jahr 2017 zeigt, wie stark dieses System in der Pubertät arbeitet: Jugendliche im Alter von 10 bis 17 Jahren reagierten bei positiven Rückmeldungen, zum Beispiel nach einer guten Leistung, mit einer besonders hohen Aktivität in ihrem Belohnungszentrum. Experten interpretieren diesen Befund so, dass die Pubertät eine Phase ist, in der Jugendliche besonders empfänglich für neue Lernerfahrungen sind. Es ist eine Zeit, in der durch die richtige Motivation ein echter „Lernboost“ ausgelöst werden kann.

Das hat jedoch auch eine Kehrseite: Die starke Aktivierung des Belohnungszentrums sorgt dafür, dass Jugendliche ein gesteigertes Bedürfnis nach schnellen Belohnungen verspüren. Sie suchen nach sofortiger Freude und Erfüllung, was oft zu impulsivem Verhalten führt. Ein typisches Beispiel dafür ist der verstärkte Konsum von Medien, bei dem schnelle und unmittelbare Belohnungseffekte wie Likes oder Gaming-Level erreicht werden.

Doch das ist nicht alles. Während das Belohnungssystem in dieser Lebensphase besonders auf Hochtouren läuft, ist der Teil des Gehirns, der für die Impulskontrolle und die Planung von langfristigen Zielen verantwortlich ist – der präfrontale Kortex – noch in der Entwicklung. Das bedeutet, dass es für Jugendliche schwerer ist, ihre Impulse zu zügeln und die Folgen ihres Handelns langfristig zu bedenken. Sie reagieren oft impulsiv, lassen sich von ihren Gefühlen und der Suche nach sofortiger Belohnung leiten.

Im Vordergrund des Bildes erkennt man einen Wecker dahinter ist verschwommen die Silhouette eines schlafenden Teenagers zu erkennen.

Fun Fact: Wussten Sie, dass Jugendliche in der Pubertät ständig müde sind – vor allem morgens? Das liegt daran, dass das Gehirn mehr vom Schlaf-Hormon Melatonin produziert, wodurch sich der Schlaf-Wach-Rhythmus um mindestens zwei Stunden nach hinten verschiebt. Kein Wunder also, dass Pubertierende wahre Spätaufsteher sind! Dazu kommt, dass die körperlichen Entwicklungsprozesse jede Menge Energie kosten – da bleibt nicht viel für den frühen Morgen übrig.

Wie reagiert das Gehirn der Eltern auf die Pubertät?

Die Gehirnentwicklung in der Pubertät ist nicht nur für die Jugendlichen eine Herausforderung – auch die Gehirne der Eltern müssen ordentlich ran! Wenn die Kinder plötzlich zu widersprüchlichen, wankelmütigen Teenagern werden, dann passiert auch im Gehirn der Eltern einiges. Und auch das ist nicht immer ganz einfach.

Erstmal müssen wir wissen, dass auch das Gehirn der Eltern von Hormonen beeinflusst wird – zum Glück nicht in dem Maße wie das der Teenager, aber trotzdem spüren auch sie die Auswirkungen. Wenn Kinder in die Pubertät kommen, sind Eltern oft genauso auf einer emotionalen Achterbahnfahrt wie ihre Sprösslinge. Warum? Weil sie natürlich mitfühlen, wie es ihren Kindern geht. Das ist eine ganz natürliche Reaktion – Eltern haben eine starke „Empathie“, also die Fähigkeit, sich in die Gefühlswelt ihrer Kinder hineinzuversetzen. Wenn die Teenager dann mal wieder in ihrer „Launenphase“ stecken, müssen die Eltern schnell ihre eigenen Gefühle anpassen, was nicht immer einfach ist.

Und als ob das nicht genug wäre, geht auch das Belohnungssystem der Eltern an – aber nicht immer auf die angenehme Art. Während Teenager bei positiven Erlebnissen richtig in Feierlaune kommen, sind Eltern oft eher gestresst. Sie erleben das Ganze als eine Mischung aus Besorgnis, Frustration und gelegentlich auch ein wenig „Ich-will-jetzt-einfach-nur-mein-Ruhen-Haben“.

Zudem kommen bei vielen Eltern auch Erinnerungen an ihre eigene Jugend zurück. Und wer hat sich nicht schon mal gefragt, ob man selbst in dem Alter genauso dramatisch war? Genau das passiert oft im Gehirn der Eltern, wenn sie ihre Kinder durch die Pubertät begleiten – sie erkennen sich vielleicht in ihren Teenagern wieder, was einerseits hilfreich, andererseits aber auch ziemlich verwirrend sein kann. Die Frage „Habe ich das auch so gemacht?“ schwirrt dann oft durch den Kopf.

Das Gehirn der Eltern muss ständig auf den neuesten Stand gebracht werden, um mit den gefühlsmäßigen Achterbahnfahrten ihrer Kinder mitzuhalten. Und das führt nicht selten zu einer kurzzeitigen mentalen Überlastung.

Tipps für Eltern: Unterstützung während der Pubertät

Während sich das Gehirn der Heranwachsenden grundlegend verändert, stehen Mütter und Väter oft vor der Frage: Wie können wir unser Kind in dieser Phase am besten begleiten?​

1. Verständnis zeigen und Geduld haben

Erkennen Sie an, dass viele Verhaltensweisen Ihres Kindes auf neurologische Veränderungen zurückzuführen sind. Impulsivität, Stimmungsschwankungen und Vergesslichkeit sind in dieser Phase normal und kein Zeichen von Absicht oder Trotz.​

2. Klare Strukturen und Regeln bieten

Trotz des Bedürfnisses nach Unabhängigkeit benötigen Jugendliche weiterhin klare Regeln und Strukturen. Diese geben Sicherheit und Orientierung. Es ist wichtig, konsequent zu bleiben, aber gleichzeitig flexibel auf die sich verändernden Bedürfnisse einzugehen.​

3. Kommunikation auf Augenhöhe

Führen Sie offene und ehrliche Gespräche mit Ihrem Kind. Zeigen Sie Interesse an seinen Gedanken und Gefühlen, ohne zu urteilen. Ein respektvoller Dialog fördert das Vertrauen und stärkt die Beziehung.​

4. Freiräume ermöglichen

Geben Sie Ihrem Kind die Möglichkeit, eigene Erfahrungen zu machen und Verantwortung zu übernehmen. Dies fördert die Selbstständigkeit und das Selbstbewusstsein.​

5. Unterstützung anbieten

Seien Sie präsent und bieten Sie Unterstützung an, ohne sich aufzudrängen. Manchmal reicht es, einfach da zu sein und zuzuhören.​ 

.fIndem Sie diese Ansätze verfolgen, können Sie Ihrem Kind helfen, die Pubertät als eine Phase des Wachstums und der Entwicklung zu erleben – mit allen Höhen und Tiefen, die dazugehören. Lesen sie auch mehr zum Thema Resilienz bei Kindern fördern. 

Pubertät im Kurzentrum Sonnsenschein

Es ist leicht nachzuvollziehen, dass sich Eltern manchmal wünschen, ihre Kinder könnten wie ein Schmetterling einfach in einen Kokon gehen, sich dort umwandeln und dann als fertige, verantwortungsbewusste Erwachsene wieder herauskommen.

Doch Hand aufs Herz – auch Eltern müssen sich in diesem Prozess weiterentwickeln. Denn genauso wie sich das Gehirn der Jugendlichen in der Pubertät verändert, so müssen auch die Eltern ihre Rolle neu überdenken und wachsen. Sie müssen lernen, ihre Kinder loszulassen und ihnen den Raum zu geben, den sie brauchen, um ihre eigenen Flügel auszubreiten. Dieser Entwicklungsprozess betrifft also nicht nur die Jugendlichen, sondern auch die Eltern – beide wachsen in dieser Zeit, jeder auf seine Weise.

Im Kurzentrum Sonnenschein verstehen wir diese Herausforderungen und bieten einen Ort der Erholung für die ganze Familie. Hier können Eltern und Kinder gemeinsam eine Auszeit nehmen, neue Kraft tanken und den Fokus auf das eigene Ich legen. Unsere Programme sind speziell darauf ausgerichtet, Familien in dieser intensiven Lebensphase zu begleiten. Bei uns finden Sie die Ruhe und Unterstützung, die Sie brauchen, um nicht nur als Familie zu wachsen, sondern auch individuell.

Denn inmitten der Veränderungen und Herausforderungen der Pubertät ist es wichtig, sich selbst nicht aus den Augen zu verlieren – und genau das möchten wir Ihnen im Kurzentrum Sonnenschein ermöglichen.

Kurzentrum Sonnenschein. Wir sind für Sie da!

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